ad poets blog – Achtung! Die Frau Sichelschmidt denkt nach.

Fruchtbare Waschbären

Urwald in Duisburg. > PR-Artikel für Mitgliedermagazin der Wohnungsgenossenschaft Duisburg-Mitte. Text: ad poets, Elke Sichelschmidt.

Stadtserie: Der Duisburger Stadtwald:
Die ca. 600 Hektar große Oase an der Grenze zu Mülheim-Speldorf ist zweifellos ein Duisburger Highlight. Und das nicht nur, weil sie mit dem Ex-Klöckner-Landsitz „Haus Hartenfels“ auf 82,52 Metern den höchsten Punkt der Stadt markiert. Denn, was die wenigstens ahnen, unser geschätztes Grün ist 12.000 Jahre alt. Sozusagen ein Urwald – wenn auch stark vom Menschen beeinflusst. Heute betreibt man hier zertifiziert nachhaltige Forstwirtschaft. Schließlich haben wir längst erkannt, wie kostbar unser Wald ist: Er schützt vor Lärm, filtert Abgase, produziert Sauerstoff, speichert Wasser, reguliert das Klima und bietet mannigfaltigen Pflanzen wie Tieren ein Zuhause. Ein ausgeklügeltes Ökosystem, in dessen Herrlichkeit wir wunderbar entspannen, forschen und einiges über die Vergangenheit erfahren können.

Urwald mit abenteuerlicher Geschichte
Tarzan werden Sie beim Wandern sicher nicht treffen. Dafür finden sich am Finkenpfad aber noch Siedlungsreste aus der Bronze- oder gar Steinzeit. Und obwohl überall das pralle Leben pulsiert, ist der Stadtwald gewissermaßen auch ein 3000 Jahre alter Friedhof. Leider sind von den vorchristlichen Beisetzungsstätten nur noch die typischen Hügel geblieben, während die Grabbeigaben Diebstählen zum Opfer fielen. Tja, im Wald da sind die Räuber. Überraschend auch, dass die Neudorfer Kirche ihre beliebten Waldgottesdienste direkt in einer heidnischen Kultstädte feiert. Am Heiligen Brunnen, dessen ungenießbarem Wasser man während der Pest fälschlicherweise Heilkraft nachsagte, ward nämlich einst ein germanisches Tüllenbeil entdeckt. Zu bewundern im Stadthistorischen Museum. Auch nach Kohle wurde – wie die Schinderhanneshöhle verrät – im Wald geschürft. Gott sei Dank ohne Erfolg. Als sehr ergiebig erwies sich hingegen der nahegelegene Steinbruch, dem auch die älteste städtische Urkunde von 1129 gilt. König Lothar hatte seinen Untertanen großzügig erlaubt, sich des Grauwackensandgesteins zu bedienen, aus dem auch Stadtmauer und Dreigiebel-Haus entstanden. Und wo wir schon beim Adel sind: Der Graf von Spee züchtete hier Wildpferde, die gerne durch Nachbarsgarten trampelten. Weshalb das wenig amüsierte Volk in der Grabenstraße Gräben zog und in der Heckenstraße Hecken pflanzte.

Wildnis mit pflanzlichen Einwanderern
Apropos Hecken. Auch botanisch betrachtet, hat eine Expedition im Stadtwald reichlich Abwechslung zu bieten. Nicht zuletzt, weil die bergige Landschaft von den Feuchbiotopen Bummel-, Weiß- und Pootbach durchzogen wird. Zugegeben, auf den ersten Blick dominieren Buchen, Birken, Erlen und Eichen das Bild. Doch bekanntermaßen sieht man ja oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wer genau hinguckt, kann bis zu 45 Laubarten fürs Herbarium erbeuten. Nur ca. 10% der angestammten Bewohner kleiden sich stattdessen mit duftenden Nadeln. Beachtlich ist zudem die enorme Population des hiesigen Königsfarns. Sein amerikanischer Vetter, der Riesenaronstab oder Stinktierkohl, soll erst kürzlich eingewandert sein. Wird er die Einheimischen verdrängen? So oder so – der Stadtwald spielt schon jetzt eine wichtige Rolle im Artenschutz. Ganze 75 der hier vorkommenden Moos- und Gefäßpflanzen-Spezies gelten aktuell als gefährdet – auch deshalb wird ein Teil des Waldes nicht durchforstet, sondern sich selbst überlassen. Manche Lebensformen brauchen eben just diese Wildnis, weil sie z. B. auf Totholz oder Baumhöhlen angewiesen sind. Es lohnt also, die Augen in jede Richtung schweifen zu lassen und alles unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht sammeln Sie mal wieder Pilze, die Sie im Zweifelsfall hoffentlich Ihrem Apotheker zeigen oder knistern im Herbstlaub und stibitzen den Eichhörnchen ein paar schmackhafte Bucheckern.

Revier mit tierischen Überraschungen
1842 wurde im Stadtwald der letzte Wolf erlegt und für eine Rückkehr des Lupus ist das Revier leider zu klein. Hirsche wie Bambi und Skunks wie Blume gibt es hier auch keine, allerdings reichlich Klopfer, Füchse und Rehe. Letzteren kann man wider Erwarten sogar begegnen, ohne besonders oliv und schleichend auf Safari zu gehen. Unbekümmert von unserer Anwesenheit zwitschern, pfeifen und krähen auch die Vögel in den Bäumen. Hobby-Ornithologen erhaschen mit Fernglas und Glück vielleicht sogar seltene Schwarzspechte mit roten Häubchen oder nehmen im Dunkeln Waldkäuze und Ohreulen ins Visier. Habichte, Mäusebussarde und Baumfalken lassen sich ebenfalls beobachten. Auch am Boden kreucht und fleucht es nach Herzenslust. Molche und Frösche lieben die Feuchtigkeit, Echsen bevorzugen die Sonne und die beeindruckend großen Hirschhornkäfer die Jahresmitte. Aber natürlich wohnen im Stadtwald auch Tiere, die Sie in der Regel nie zu Gesicht kriegen – wie die scheuen Wildschweine und Waschbären. Es heißt übrigens, ein hiesiges Männchen habe bei nächtlichen Streifzügen auch im Zoo für Waschbär-Babys und eine überraschte Direktion gesorgt. Ich glaub, ich steh im Wald. Letzter Tipp von Stadtförster und Wohnungsgenossenschaftler Stefan Jeschke: „Machen Sie eine Nachwanderung zur Sommersonnenwende. Da sind Millionen Glühwürmchen unterwegs.“ Na, wenn das mal kein Highlight ist.