ad poets blog – Achtung! Die Frau Sichelschmidt denkt nach.

Die HelGen von morgen

Schneider Nachwuchs beschallt Freilichtbühne. > PR-Artikel für das Jahrbuch Mülheim. I. A. Verkehrsverein Mülheim. Text: ad poets, Elke Sichelschmidt. Foto: Walter Schernstein.

Die Helgen von morgen: ROCK DAS DACH 2011
Mülheims Musikszene gilt als überdurchschnittlich busy und kreativ. So tummeln sich in der Stadt nicht nur zahlreiche Amateure Ü 30, sondern auch jede Menge Profis. Wenn auch nicht alle so prominent wie der vermutlich bekannteste Schneider der Republik. Doch, dass es in Sachen Sound in MH zukünftig fett weitergeht, bewies der Nachwuchsband-Wettbewerb ROCK DAS DACH 2011. Obendrein bot das Abschlusskonzert ca. 400 jungen Leuten und ein paar alten Hasen die perfekte Gelegenheit, gemeinsam zu chillen und zu feiern. Ein voller Erfolg für die Initiatoren vom Stadtjugendring und alle Mitveranstalter. Hintergründe, eine Event-Reportage und ein Live-Mitschnitt hier im Jahrbuch.
 
Die Idee
Keine Frage – VOLL DIE RUHR ist eine tolle Veranstaltung für Familien mit Kindern. Insbesondere, wenn die Sprösslinge noch Spaß daran haben, kleine gelbe Gummienten ins Rennen zu schicken. Aber für ältere Jugendliche? No way. Da müssen wir uns schon etwas Cooleres einfallen lassen. Das dachten sich jedenfalls 2009 die Mitglieder des Stadtjugendrings – allen voran das Autonome Zentrum und der Sozialverein fürLesben und Schwule als Betreiber des Jugendzentrums Enterpride. In Carsten Scharwei, zuständig für die Jugendkultur bei der Stadt, fanden sie gleich einen Verbündeten. Zielgruppe des Projekts: Mülheimer Youngster, 16 Jahre aufwärts. Schnell war die Idee eines Newcomer-Band-Contests geboren. Eine Art „Mülheim sucht die Supercombo“. Die vier besten Acts sollten dann Gelegenheit bekommen, sich zum Auftakt des jährlichen Jugendfestspiel-Spektakels live on stage zu präsentieren. Raus aus dem Proberaum, rauf auf die Bühne. Horst Kummerfeldt vom Medienzentrum schlug das Parkdeck des Forum City Mülheim als Location vor. Und so stiegen Veranstalter und Besucher zweimal hintereinander dem Einkaufszentrum aufs Dach. 2011 musste der Event jedoch in die Freilichtbühne umziehen. ROCK DAS DACH goes green.

Der Wettbewerb
Anfang März riefen die Organisatoren über Presse, Flyer und Internet zum diesjährigen Contest auf.
Wichtigste Teilnahmebedingungen: Die jeweilige Besetzung musste 16 bis 26 Jahre und mindestens ein Bandmitglied Mülheimer sein. Friederike Pott vom AZ übernahm die gesamte Kommunikation mit den Musikern. Bis zur letzten Zugabe beim Abschlusskonzert am 27. Mai sollte das ein Haufen Arbeit sein. Insgesamt 19 Kapellen bewarben bis sich mit live eingespielten Demo-Tracks im MP3 oder MP4 Format. Natürlich Rohversionen – ohne große digitale Nachbearbeitung! Wie auch sonst hätte die soundkompetente 3-Generationen-Jury Ende April beurteilen können, was die Nachwuchs-Rocker wirklich drauf haben? Auf der vom Medienzentrum zusammengestellten CD mit allen Hörproben zeigte sich ihr eine enorme Bandbreite an Musikrichtungen auf erstaunlich hohem Niveau. Jeder Juror filterte für sich alleine seine fünf Favoriten heraus. So standen die ersten drei Siegerbands dank spontaner Übereinstimmung sofort fest. Auch auf Nr. 4 einigten sich die Experten in nullkommanix. Damit waren die Acts für ROCK DAS DACH in concert gesetzt. Die Reihenfolge der Auftritte wurde am Tag der Veranstaltung ausgelost.
 
Das Konzert
27.05.2011, ROCK DAS DACH in der Freilichtbühne. Nach langer Trockenheit und warmen Temperaturen fängt es pünktlich um 11:00 h an zu regnen. Shit! Fünf Stunden später dann doch noch blauer Himmel mit weißen Wolken. Erleichterung in den Gesichtern der Organisatoren, Techniker und Musiker, die zwischen Bühne, Gastro-Büdchen und Backstage letzte Vorbereitungen treffen. Das DRK ist bereits gerüstet und auch der Soundcheck kann starten. Erst Gitarre, Bass und Keyboard, dann die Drums und schließlich der Gesang. Toningenieur Bert Zulechner dreht fachmännisch an den Knöpfen des voluminösen Mischpults. Über den Friedhof schallt es bis in die Altstadt. Denn heute Abend geht es anders als in der MITTWOCHSREIHE voll elektrisch und damit ein bisschen lauter zu.

Um 18:00 h der offizielle Beginn. Gerade mal 50 Zuhörer haben sich bis jetzt eingefunden. Ein paar Mamas und Papas sind offensichtlich auch darunter. Friederike Pott und Horst Kummerfeldt haben keinen Zweifel, dass es noch voller wird, und trinken entspannt Kaffee. Carsten Scharwei, rechtlich verantwortlicher Veranstaltungsleiter, und Anett Streubel vom SVLS testen derweil das Gulasch vom Grillstand. Lampenfieber hingegen bei NUTTY BRAD. Sie müssen als erstes auf die Bühne, und zwar zu viert statt zu fünft. Ein Kollege hat sich plötzlich nach Israel abgesetzt, also mussten die Jungs kurzfristig umdisponieren und auf die zweite Gitarre verzichten. „Deshalb haben wir uns bei den letzten Proben wüst beschimpft“, wird Bassist Peter später backstage erklären. Macht nix. Ihr erster Song „Springcleaning“ klingt ganz harmonisch und durchaus satt. Martina Bettges, Mutter von Drummer Charly, jedenfalls strahlt. „Ich bin total stolz.“ Beim dritten Stück lauschen schon ungefähr 200 Leute – überwiegend Teens und Twens. Läuft doch! Auch auf der Bühne klappt es großartig. Ok, die Ansagen könnten souveräner sein, aber der Sound kommt gut an. Und so verlangen die Besucher am Schluss des 30-minütigen NUTTY BRAD Sets natürlich eine Zugabe.

Nach einer kurzen Umbaupause liefert STRAIGHT ON IMPACT extrem treibenden und ordentlich verzerrten Gitarrensound ab. Die vier Schüler machen definitiv mehr Krach als ihre Vorgänger. Melodic Rock – wie sie selber sagen. Na ja, über Genrebezeichnungen kann man immer streiten. Sagen wir: Irgendwie klasse und ziemlich dicht. Ein Powerpack mit Auftrittserfahrung. Im Publikum staunen auch einige musikaffine Stammgäste der MITTWOCHSREIHE. Heiko Loggen, selber Tastenakrobat, ist von der Performance beeindruckt. „War mir gar nicht klar, dass es so ´ne tolle Nachwuchsszene in MH gibt.“ Auch Horst, von Haus aus Gitarrist, nickt anerkennend „Wenn die so laut spielen dürften, wie sie eigentlich wollten, hätten die noch mehr Gas.“ Muss gar nicht. Das Publikum honoriert ein kleines Headbanging-Duett des Gitarristen und Bassisten auch so mit spontanem Beifall und folgt gerne der Aufforderung zum rhythmischen Handclapping. Die Jungs von Nutty Brad, die sich mittlerweile unter die immer größer werdende Menge gemischt haben, lassen sich nicht lumpen und machen mit. Sehr sympathisch. Nach dem Gig grinst STRAIGHT ON IMPACT Frontman Jan bis über beide Ohren. „War geil!“ „Ja, hat voll Spaß gemacht“, freut sich auch Keyborder Thorben riesig.

Vor dem nächsten Act vertritt sich der nun auf 400 Leute angeschwollene Partymob erstmal
die Beine. Sowohl die Theken, die sicherheitshalber Bier in Plastikbechern ausschenken, als auch die Würstchen werden hoch frequentiert. Auf die doofe Frage, warum sie eigentlich hier sind, zuckt ein Mädels-Trio voll synchron mit den Schultern. Huch, wir werden interviewt. Plötzliche Karnickelstarre. Ein blasses Pärchen im Gothic-Look weiß auch nicht so richtig eine Antwort. Wahrscheinlich nicht wegen ÄNDI ÄND THE PEOPLE, die gerade ganz locker anfangen, deutschen HipHop zu servieren. Leider sind die selbstgemachten Lyrics zeitweise schwer zu verstehen. Dafür textet der Rapper unüberhörbar ins Mikro, dass er heute Geburtstag hat. Während seine Background-Girls noch ein wenig wie scheue Rehe wirken, gibt der 21-jährige sehr routiniert die Rampensau und sagt den nächsten Titel an: „Heute ist ein Tag nach meinem Geschmack.“ Das merkt man. Heiko Loggen kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und meint: „So hat Eminem auch mal angefangen.“ Wie auch immer – ÄNDI ÄND THE PEOPLE verbreiten gute Laune: Vor der Bühne wird ausgelassen getanzt und das Konzertvolk schwenkt auf Kommando die Arme durch die Luft. Geht doch.
Um 21:00 h ein kleiner Abstecher Richtung Open-Air-Theater. Jetzt ist es – wie der Mülheimer sagt – ein bisschen schubbig. Trotzdem hängen reihenweise Jugendliche auf den steinernen Rängen ab. Die meisten Damen in Jacke, die Herren natürlich nur im Shirt. Man muss ja zeigen, was man hat. Einer der Jungs trägt zudem absurd große, orangefarbene Kopfhörer. Ob das wärmt? Auch vor den Toiletten amüsiert sich eine etwa 40-köpfige Traube abseits der Musik. Drinnen verschwinden drei Mädels zusammen hinter einer Türe, um mit dem Handy mal eben den restlichen Abend zu organisieren. „Sind gerad in der Freilichtbühne, Alter. Watt macht Ihr denn gleich?“ So so. Dann wird vorm Spiegel noch eben der Lippenstift nachgezogen und ab wieder rein ins Gewühl. Auch die Freunde und Helfer von der Polizei tauchen am Rande der Szene plötzlich mal auf, um die Lage zu checken. „Nee, keine Beschwerden, reine Routine. Alles in Ordnung“, erklärt ein junger Polizeikommissar in Uniform. Friederike und Anett können sich also beruhigt wieder dem Hauptgeschehen widmen.

Als um kurz nach 21:00 h die TRESPASSERS loslegen, ist es vor der Bühne brechend voll. Thomas Rogowski, konzerterfahrener Bassist der bekannten Ska-Formation G140, gerät sofort ins Schwärmen: „Ganz schön anspruchsvoller Sound, viele Tempowechsel, sehr anders.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Zwischendurch werben die TRESPASSERS noch ganz gewieft für ihre My-Space-Seite und berichten, dass Sängerin Sabina erst seit ein paar Monaten dabei ist. Kaum zu glauben. Das ROCK DAS DACH Publikum quittiert die super Vorstellung der Truppe bis zum letzten Ton mit begeistertem Applaus. Was will man mehr?  Friederike lächelt zufrieden und resümiert den Event um 22:00 h so: „Die Bands waren toll und die Reihenfolge echt gelungen. Außerdem waren viel mehr Jugendliche als in den letzten Jahren da.“ Damit haben der Stadtjugendring und die Mitveranstalter ihr Ziel erreicht. Grand Prix de Mülheimvision – douze points.